Wahlkampf, sinn- und alternativlos

Wahlkampf, sinn- und alternativlos

4. Februar 2021 Aus Von Stephan Bordt

Am 14. März sind Landtagswahlen in Baden-Württemberg. Der offizielle Startschuss für den Wahlkampf fiel Anfang Februar mit der Erlaubnis zum Plakatieren. Um Mitternacht, mancherorts auch schon einige Stunden früher, strömten landesweit hunderte Trupps aus, um Straßen und Plätze mit Wahlplakaten zu bestücken und das Volk von den Botschaften ihrer Parteien zu überzeugen. Schon lange vorher, nach den Sommerferien 2020, begannen in den meisten Parteien die Vorbereitungen. Ein irrer Aufwand an Einsatzstunden in Meetings, beim Formulieren von Programmen, Strategien und Slogans, beim Produzieren von Plakaten, Flyern, Sharepics, Filmclips und Mitteilungstexten, beim Plakatieren, Infomaterial-Stecken und – aufgrund der Pandemie sehr eingeschränkt – Abhalten von Kundgebungen wird betrieben, um das Wahlergebnis zu beeinflussen. Dabei sollte das alles eigentlich überflüssig sein.

Theorie und unklare Praxis politischer Meinungsbildung

Die Grundlage unserer parlamentarischen Demokratie sind aufgeklärte Staatsbürger/innen, so zumindest die Theorie. Die dürften sich von den verkürzten, nicht selten auch ziemlich schwachsinnigen Wahlkampf-Aussagen wenig beeinflussen lassen. Auch Redegewandheit oder gar Charisma der Kandidierenden sollte keine Rolle spielen. Schließlich sollt ihr sie an ihren Taten und nicht an ihren Worten messen. Wahlkampf wäre ziemlich überflüssig. Nur die sachliche Erläuterung der eigenen Standpunkte vor allem der Parteien, die sonst über weniger mediale Aufmerksamkeit verfügen, würde dem Anspruch gerecht. Wozu dann die ganze Show?

Weil die Wählerinnen und Wähler bescheuert sind? Wohl kaum. Die meisten haben sich längst entschieden, wo sie ihr Kreuzchen am Wahltag machen werden. Das dürfte auch den allermeisten Wahlkämpfern bewusst sein. Wie groß die Minderheit ist, die sich tatsächlich von Wahlkampfgetöse beeinflussen lässt, ist völlig unklar. Das können auch Wahlumfragen nicht beantworten, so empirisch sie auch angelegt sein mögen. Wer gibt schon zu, sich tatsächlich rein vom Auftreten der (Spitzen-)Kandidatinnen und Kandidaten beeinflussen zu lassen? Und selbst wenn, spielt das, was die Person am Mikrophon bzw. auf den Plakaten inhaltlich von sich gibt, schon noch eine Rolle. Wäre Trump auch US-Präsident geworden, wenn er „linke“ Propaganda betrieben hätte, um mal ein Beispiel aus dem Ausland zu wählen? Das darf bezweifelt werden.

Beeinflussung im politsch-medialen Alltag

Die Menschen lassen sich von Phrasen und gefühlsbetonten Darstellungen beeinflussen, die zwar häufig keinerlei politische Lösungsansätze erkennen lassen, aber ihre Einstellungen und Emotionen bedienen – das allerdings vermutlich weitaus weniger im Wahlkampf als im politsch-medialen Alltag. Nur so ist es doch zum Beispiel zu erklären, dass die SPD trotz nach wie vor vieler aktiver Mitglieder und regelrechter Materialschlacht-Wahlkämpfe in der Wählergunst immer weiter absackt. Ein weiterer Beleg ist das Erringen des Direktmandats im Wahlkreis Mannheim Nord bei den vergangenen Landtagswahlen durch ein Phantom der AfD – ich glaube, es hieß Rüdiger Klos – ohne jede persönliche Anwesenheit in einem Schmalspur-Wahlkampf. Die Stimmung war offenbar so ausgeprägt, dass der Wahlerfolg der bräunlich Blauen durch minimalsten Aufwand erzielt werden konnte.

Schlussfolgerung? Praktisch keine

Welche Schlussfolgerung lässt sich daraus ziehen? Demokratiemüdigkeit kann ich daraus nicht ableiten. Weniger Aufwand im Wahlkampf und mehr im politischen Alltagsgeschäft wäre wohl die logische Konsequenz. „Was, noch mehr Alltagsgeschäft?“, klingelt’s mir da in den Ohren. Politik ist auch außerhalb der Wahlkämpfe ein zeitaufwendiges, oft zermürbendes Geschäft. Da lässt sich selten noch eine Schippe drauflegen.

Umgekehrt wagt niemand in den Parteien, zumindest in denen, die ernsthaft im Parlament vertreten oder gar an der Regierung beteiligt sein wollen, im Wahlkampf einen Gang runterzuschalten. So exakt kann nämlich niemand die Stimmung im Land einschätzen. Und wenn dann nur ein paar Stimmen zum selbstgesteckten Ziel fehlen sollten, würde sich jede/r in den Hintern beißen, für diese Stimmen nicht alles gegeben zu haben.

So ist der Wahlkampf ein Spiegel des richtigen Lebens. Da die Alternativen zu den eingeübten Ritualen voller Unwägbarkeiten sind, machen wir alle lieber weiter wie gehabt, egal wie schwachsinnig und ermüdend es ist. Und bei der LINKEN in BaWü kommt noch hinzu: … und egal, wie erfolglos.

Please follow and like us: