Russland in der Imperialismusfalle

Russland in der Imperialismusfalle

9. Juli 2022 Aus Von Stephan Bordt

Imperialismus über militärische Expansion heißt ein totes Pferd reiten. Putins Versuch, mit dem Angriff auf die Ukraine Mehrwert für Russland zu generieren, kann nicht funktionieren. Das Scheitern dieser Strategie mussten schon die USA mit ihren Irak- und Afghanistan-Abenteuern erkennen. Etwas überspitzt könnte man sagen: Von den USA unter George Bush und George W. Bush lernen, heißt verlieren lernen. Und Putin scheint ein gelehriger Schüler mit eigener (noch bekloppterer völkischer Agenda) zu sein. China agiert ähnlich skrupellos, doch wesentlich geschickter. Das Land kann zwar das Säbelrasseln auch nicht lassen und stellt eine permanente Bedrohung für Taiwan dar. Doch das ist nur die Begleitmusik für die wirtschaftliche Expansion, die den entscheidenden Aufstieg für die Volkswirtschaft zur Weltmacht bringt.

Russland ist ein Paradebeispiel eines Dinos aus dem fossilen Zeitalter, das seinen Reichtum fast ausschließlich aus der Vermarktung seiner Bodenschätze schöpft. Entsprechend nimmt der Boden eine zentrale Stellung in der Staatsdoktrin ein und die einzig vorstellbare Ausweitung der eigenen Einflusssphäre scheint tatsächlich die territoriale Erweiterung des Staatsgebiets zu sein – was natürlich beim ohnehin schon flächenmäßig mit Abstand größten Land der Erde reichlich absurd wirkt. Doch das da etwas dran sein muss, bekam schon Georgien zu spüren, dem von seinem im Vergleich zu Russland zwergenhaften Staatsgebiet mit Abchasien und Südossetien ein ganzes Stück entrissen wurde.

Wirtschaftliche schlägt territoriale Expansion

Wenn das Ziel frei nach Adam Smith „Reichtum der Nation“ heißen sollte, ist der wirtschaftliche Erfolg entscheidend. Den würde Russland auch ohne die Sanktionen der westlichen Staaten trotz kurzfristiger Kursgewinne beim Brennstoffverkauf nicht erreichen. Dieser Irrweg erinnert frapierend an die Kriege der USA ab Anfang der 1990er Jahre, die das Gegenteil des angestrebten Zieles bedeuteten: Die einstige Supermacht konnte seine Vormachtstellung trotz seiner gigantischen Militärmaschinerie nicht festigen, sondern ist inzwischen nur noch einer von mehreren Global Playern.

Während sich das Außenhandelsdefizit der USA in den letzten Jahrzehnten explosionsartig ausweitete, schuf (nicht nur) China einen Exportüberschuss in einer nie gekannten Dimension. Gleichzeitig praktiziert das Land eine v.a. durch einige europäische Staaten und USA bewährte Methode des Imperialismus, indem es Abhängigkeiten mit Infrastrukturprojekten, Krediten und Aufkäufen schafft. Chinas Macht wächst, inzwischen auch mit militärischer Unterstreichung seiner Großmachtansprüche, die als Kanonenboot-Inkasso ein Bestandteil des imperialistischen Geschäftsmodells ist, wie das schon beim British Empire und den USA der Fall war.

Krieg als Zeichen des Abstiegs

Anders als die USA, die nicht nur mit Silicon Valley über das Ende des fossilen Zeitalters hinaus ein paar Trümpfe im Ärmel haben, wird Russland durch den Krieg gegen die Ukraine seinen Abstieg noch beschleunigen. Die zum Scheitern verurteilte Strategie Bodenschätzehandel und Militärmacht ohne praktischen Nutzen steigert die Abhängigkeiten gegenüber dem Rest der Welt, die zwangsläufig zum wirtschaftlichen Abstieg, einem völligen Bedeutungsverlust, nicht ganz unwahrscheinlich langfristig sogar zum Zerbrechen des Riesenlandes führen wird.

Es gibt viele Beispiele aus den vergangenen Jahrhunderten, wie Reiche und Staaten über die Unfähigkeit gestolpert sind, mit reinen Ausplünderungsstrategien dauerhaft volkswirtschaftliches Einkommen zu generieren: Spanien verlor fast seine ganzen Gewinne aus der extrem mörderischen Ausplünderung Lateinamerikas an die europäische Konkurrenz. Das Britische Empire kollabierte innerhalb einer Generation nicht nur durch den wachsenden Druck aus seinen Kolonien, sondern auch durch den verlorenen Anschluss an die Wertschöpfungsfähigkeiten der aufstrebenden Konkurrenz aus USA, Japan, Deutschland und anderen Wirtschaftsmächten der Nachkriegszeit.

Ohne Strategiewechsel düstere Aussichten

Für Russland gibt es praktisch keine Hoffnung mehr, aus der Imperialismusfalle herauszukommen. Die Ukraine erlebt zur Zeit den Horror des angegriffenen Staates, der unzählige Menschenleben und Werte verliert. Längerfristig besteht die Chance, dadurch einen Modernisierungsschub zu erreichen. Leider wird sich das Ganze ziemlich sicher aufgrund der Dominanz westlicher Dogmen in einer maximal hierarchischen Form aus Unternehmertum und geknechteten Wertschaffenden entwickeln. Vielleicht wird aber auch die Ukraine das Schicksal eines Vasallenstaates der EU-dominierenden Volkswirtschaften, sozusagen verlängerte Werkbank und Lieferant billiger Arbeitskräfte wie einige Balkanstaaten, ereilen. Beide Ausprägungen sind möglich.

Russland dagegen hat so oder so verloren. Die Mehrheit der Bevölkerung hat düstere Aussichten. Ihre Führung hat alles falsch gemacht. Aber vielleicht hat diese Bevölkerung, die sich ihr wirtschaftliches Grab mit der Unterstützung Putins und seiner kontraproduktiven Kriege selbst geschaufelt hat, auch nichts Besseres verdient. Mit Putin in den Untergang.

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