Herbstgrau

Herbstgrau

24. November 2021 Aus Von Stephan Bordt

Ende November ist die Zeit der roten Blätter dem bleiernen Grau des Spätherbsts gewichen. Das Virus beherrscht wieder das Alltagsgeschehen. Politik macht noch weniger Spaß als vor dem 26. September, zumindest als Mitglied der LINKEN. Jetzt heißt es: Impfen, testen, arbeiten, Augen zu und durch!

Das graue Gewand dieser Jahreszeit mag ich sogar, diese bis an die Grenze des Erträglichen melancholischen, ungemütlich-kühlen Tage unter einer tiefhängenden Wolkendecke und die langen eisigen Nächte im Schein matter Straßenlaternen. Beruflich läuft es rund. In der Fraktion im Gemeinderat Mannheim ist die Stimmung ungebrochen gut und wir arbeiten weiter an unserer politischen Agenda. Aus den Parteiämtern bin ich im Streit ausgeschieden. Inzwischen ist im Kreisverband der LINKEN Mannheim wieder Frieden eingekehrt, der ein bisschen wie Friedhofsruhe anmutet. Doch der Kampf geht weiter, irgendwie, mit Hoffnung auf bessere Zeiten, teilweise auch mit neuem Personal.

Richtig frustrierend sind die überregionalen Entwicklungen. Die Pandemie galoppiert uns mal wieder davon und zieht dabei viele Menschen in den Abgrund. Dass es sich dabei überwiegend um Impfverweigerer handelt, lässt viele, auch mich, fast mit den Schultern zucken. Aber auch sie belasten das Gesundheitssystem, erhöhen das Infektionsrisiko und außerdem landen auch Geimpfte auf den Intensivstationen. Kurz: Corona beherrscht mit der vierten Welle erneut das öffentliche Leben.

Um den Bogen zur Partei DIE LINKE zu spannen, muss ich leider auf eine der prominentesten Impfgegerinnen der Republik eingehen: Sahra Wagenknecht. Die politische Amokläuferin von der Saar ist es eigentlich nicht wert, immer wieder Worte über sie zu verschwenden. Aber der Teil der Partei, der am meisten die öffentliche Wahrnehmung und ein kleines Stück weit die reale Politik beeinflusst, nämlich die Bundestagsfraktion, hat sich ganz offensichtlich auf einen Kuhhandel mit der Querfrontlerin und ihrer Entourage eingelassen. Sie darf weitgehend unwidersprochen das Image der Partei DIE LINKE beschädigen, dafür hält die Fraktion still und sackt die Pfründe des Privilegs Fraktionsstatus ein. Denn wenn endlich konsequent an Partei- und letztem Wahlprogramm orientierte Politik als Handlungsanweisung durchgesetzt würde, wären Wagenknecht und Gefolge raus – und damit der Fraktionsstatus dahin. Aber die Partei wäre endlich wieder ernstzunehmen – ganz sicher nicht nur von mir. Gerade jetzt hätte DIE LINKE das Monopol als Oppositon von links im Bundestag und könnte auch die Bewegungen auf der Straße voranbringen. Könnte …

Auch das neu in den Bundestag aufgerückte Duo der Parteivorsitzenden macht offenbar mit beim Kuhhandel. Die kurze Phase des Aufbruchs in den letzten Monaten vor der Bundestagswahl ist vorbei, die Zuversicht verpufft. So trudelt die Partei trotz aller Beschwörungen des nötigen Neuanfangs nach dem Wahldesaster müde und kraftlos dem Abgrund der Bedeutungslosigkeit entgegen. Nie war so viel politische Unfähigkeit oder fehlende Konsequenz in den Führungspositionen versammelt. Dabei habe ich wie so viele in der LINKEN zumindest auf Janine Wissler und ihren gekonnten öffentlichen Auftritt gehofft, nachdem das alte Duo Kipping-Riexinger jede Strahlkraft und interne Authorität längst verloren hatte. Okay, vielleicht berappelt sich die Partei nochmal, auf jeden Winter folgt ein Frühling. Aber zur Zeit prägt sie das graue Novemberbild geradezu perfekt. Wir sollten das Corporate Design anpassen. Als Phönix aus der Asche könnten wir es dann umso deutlicher auffrischen.

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