DIE LINKE: Endlich wieder Bündnispartnerin

DIE LINKE: Endlich wieder Bündnispartnerin

26. Juni 2022 Aus Von Stephan Bordt

Der Bundesparteitag der LINKEN hat den fortschrittlichen Kräften den Rücken gestärkt und eine klare Absage an Herumeierei gegenüber dem russischen Regime und den sozialkonservativen Träumen einer Sahra Wagenknecht gebracht.

Der Versuch des Doppellagers aus der eher nationalistisch orientierten, zuwanderungskritischen und der internationalistisch ausgerichteten antiimperialistischen Strömung – ohnehin eine recht absurde Verbindung, zusammengekittet nur durch eine allgemeine Rückwärtsgewandheit – auf dem Bundesparteitag der Partei DIE LINKE in Erfurt im Juni 2022, die Verurteilung des imperialistischen Despoten Putin in eine Erzählung der ewigen NATO- bzw. USA-Schuld umzumünzen, ist gescheitert. Die außenpolitische Positionierung ist noch immer pazifistisch, wenn auch nach wie vor nicht ohne unbefriedigende Widersprüche, doch endlich klar abgegrenzt von einem Verständnis aus den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Partei ist damit spät, aber hoffentlich nicht zu spät im komplexen Hier und Heute angekommen.

Keine Macht für die reaktionären Kräfte

Noch wichtiger waren die personellen Entscheidungen. Der Versuch des Wagenknecht-Lagers, angeblich in Verbund mit Dietmar Bartsch, dem dieser widerliche Opportunismus auch zum Preis des Partei-Untergangs leider inzwischen zuzutrauen ist, eine Marionettenführung in der Hand des Hufeisens in der Bundestagsfraktion zu installieren, ist mit knapper Not vereitelt worden. Hätte sich ein Duo Reichinnek-Pellmann durchgesetzt, wäre das wohl das Ende nicht nur meiner Parteimitgliedschaft gewesen. Gerade Heidi Reichinnek hätte mit der verlogenen Selbstdarstellung, mit allen zusammenarbeiten zu wollen, dem Titanic-Bündnis aus Bartsch und Wagenknecht/Mohamed Ali weiterhin ermöglicht, ungehemmt gegen Parteitagsbeschlüsse agieren zu können. Sören Pellmann hat sich zwar mit größerer politischer Reife inhaltlich verbindlicher gezeigt und im Duett mit Janine Wissler hätte er vielleicht sogar eine positive Rolle spielen können. Doch erstens hätte das mit Sicherheit nicht in Verbindung mit Reichinnek gegolten. Zweitens hätte seine Wahl dem Wagenknecht-Lager unnötige Hoffnungen gemacht, weiterhin seine destruktive Rolle spielen zu können.

Nun bekommt also Janine Wissler eine zweite Chance, gemeinsam mit dem intellektuellen Realo Martin Schirdewan DIE LINKE endlich auf einen zeitgemäßen Kurs zu bringen. Dieser Kurs bedeutet keine Annäherung an die politische Mitte um SPD und Grüne, die für einen reformierten, aber weitgehend unreglementierten Kapitalismus mit allzu zaghaften Kurskorrekturen gegenüber der Merkel-Ära steht. Dafür sollte schon Wisslers Marx21-Vergangenheit und ihre relativ radikalen Aussagen zu sozialen Fragen, Klimawende und staatlichem Selbstverständnis stehen. Schirdewan vertritt einen weltoffenen Internationalismus mit dem Besten aus den zwei Welten Sozialismus und bürgerliche Liberalität.

So frisch nach der Wahl möchte ich noch eine Anmerkung zur sehr harschen Kritik an Wisslers Wahl in Zusammenhang mit #LinkeMeToo machen: Janine Wissler hat in diesem Themenkomplex nicht die allerbeste Figur gemacht, was kritikwürdig und zugleich aus persönlicher Betroffenheit ein Stück weit verständlich ist. Ihr jedoch eine gehörige Mitschuld zu geben für das, was Männer verbrochen und absolut zu verantworten haben, ist für mich ein sehr absurdes Verständnis von Feminismus: Frauen tragen Schuld für Gewalt von Männern an Frauen? Das müsst ihr mir nochmal erklären. Ich lasse mich gerne belehren …

DIE LINKE dringend gebraucht, aber auch so gesehen?

Politisch öffnet die massive Wagenknecht/Antiimp-Niederlage den Weg hin zu einem breiten gesellschaftlichen Bündnis, das aufgrund der Mitte-Rechts-Bündnisse von Grünen und Schwarzen, mal mit, mal ohne eine ebenfalls ziemlich wertkonservative und klimaschutzbremsende SPD auf Bundes- und Landesebene dringend gebraucht wird. Dafür kann DIE LINKE eine entscheidende Klammer bilden. Ob soziale Fragen, Verteilungs- und Klassenkämpfe in allen Lebensbereichen, Klima-/Energie-/Verkehrswende, Bildungsgerechtigkeit, Identitätsfragen, Flucht und Migration, überall werden organisatorische, personelle und politische Verknüpfungen gebraucht. Keine Organisation ist – besonders nach der endgültigen Umarmung von Grünen und CDU nun auch im Braunkohleland NRW – bundesweit zu dieser essentiellen Klammerbildung in der Lage außer der LINKEN. Das ist der Auftrag für ein verdammt dickes Brett. Mit Wagenknecht, Hunko, Dagdelen & Co. ist das völlig undenkbar, mit Wissler und Schirdewan zumindest wieder möglich. Ob es gelingt, ist aber trotzdem noch längst nicht ausgemacht.

Ob DIE LINKE eine Chance hat, in den gesellschaftlich relevanten Teilen, den Marginalisierten und Benachteiligten, den Aktiven und Initiativen als Teil der Kämpfe und dem Ringen um eine bessere Welt akzeptiert zu werden, hängt entscheidend von der Außenwahrnehmung ab. Die nötige Alltagsarbeit leisten die zehntausenden Mitglieder schon längst vor Ort. Wenn nun weiterhin Sahra Wagenknecht permanent beschlussfremde Standpunkte verbreiten kann und das Hufeisen Bartsch-Muhamed Ali im Bundestag parteiunabhängig ihr Ding durchziehen können, wird sich nichts zum Guten wenden. Der Partei wird weiterhin Misstrauen und Ablehnung entgegenschlagen, Wahlen werden krachend verloren und progressive Bewegungen werden weiterhin ohne eine starke Bündnispartnerin auskommen müssen. Dann sage ich als Lokalpolitiker: Danke für garnichts, ihr opportunistischen und reaktionären Arschgeigen!

Neuanfang nur ohne Hufeisen am Bein

Wenn aber Sahra Wagenknecht endlich schweigt oder ihre Standpunkte als nicht parteiprogrammkonform klarstellt und das unheilvolle Hufeisen sich auflöst, dann kann ein erfolgreicher Neuanfang wirklich geschafft werden. Dann ist DIE LINKE wieder auf dem Weg dorthin, wofür sie 2007 aufgebrochen ist. Der Kampf gegen die Zumutungen des Kapitalismus und des Klassenkampfes von oben, gegen die Klimakatastrophe, gegen Ausgrenzung und für Inklusion, ein besseres Leben für alle in Einklang mit den natürlichen Gegebenheiten und in Frieden wird dann endlich von einer krafvollen, breit verankerten Partei geführt. Und ich wäre wieder motiviert wie zehntausende andere Parteimitglieder und Unterstützer*innen auch. Lasst uns die alten Zöpfe abschneiden und durchstarten – viva la radikale Reformen!

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