
Die größten Fehler der LINKEN im Südwesten
Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg haben keine Überraschung geboten. Grüne noch stärker, CDU und SPD schwach, AfD immer noch zu stark. DIE LINKE stagniert in ihrer Rolle als die größte unter den Splitterparteien, während sie in Rheinland-Pfalz sogar weiter in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht ist. Erneut konnte sie keinen ausreichend nachvollziehbaren Grund nennen, warum sie in den Landtag einziehen sollte. Dabei steht ihr zwar das ganz spezielle Baden-Württembergische Wahlrecht ohne Landesliste im Weg. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die größere Hälfte ist die mangelnde Verankerung im „Ländle“.
DIE LINKE ist auch mit einer offenkundigen Unfähigkeit geschlagen. Der Landesvorstand beharrt auf seinen Fehlern, obwohl gegenüber den disaströsen Wahlen 2016, als DIE LINKE gerade mal 2,9 Prozent erzielte, ein gewisser Lerneffekt festzustellen ist, auch bedingt durch einen teilweisen Generationenwechsel. Die wichtigsten Fehler in meinen Augen sind:
Keine langfristige Strategie: Eine langfristige, über Jahre forcierte PR-Strategie, die der LINKEN im Südwesten (und anderswo) eine feste Rolle als Stimme der Opposition zuweist wie lange Zeit den Grünen als parlamentarischer Arm der Umweltbewegungen (und bis 1999 auch der Friedensbewegung), ist nicht erkennbar.
Inkompetent wirkender Landesverband: Den Wählerinnen und Wählern, die bei Bundestagswahlen regelmäßig auch in BaWü mehr als zu fünf Prozent DIE LINKE wählen, konnte offenbar nur in sehr begrenztem Maße vermittelt werden, warum sie auch bei der Landtagswahl für die Partei aus dem Zusammenschluss von PDS und WASG das Kreuzchen machen sollten. Dem Landesverband wird weniger Kompetenz (und damit politischer Nutzen) zugetraut als der Bundespartei. Liegt vielleicht auch am Personal.
Zu wenig auf populäre Themen gesetzt: Weder die immer wiederkehrenden Themen bei Landtagswahlen, ganz vorne Bildung, noch die aktuellen populären Themen wie der Umgang mit der Corona-Pandemie wurden ausreichend kommuniziert. So wurden auch keine Wählerschichten außerhalb der Kernwählerschaft erreicht.
Kein großes Thema, das ziehen würde: Vielleicht fehlt neben den üblichen Argumenten, die ja alle richtig und wichtig sind, ein Stück weit das große, den Menschen aus dem Herzen sprechende Topthema. Soziale Gerechtigkeit, die große Klammer der ansonsten von vielen Streitereien durchsetzten Partei, scheint das nicht zu sein, entweder weil das Problem Ungleich- bzw. Ungerechtigkeit in BaWü als nicht dringlich genug angesehen wird (wofür spricht, dass auch halbwegs glaubwürdig sozial engagierte Sozis nicht punkten konnten), oder weil kein überzeugendes Gesamtkonzept erkennbar ist.
Klimarettung mit starker sozialer Komponente, gerade auch in Hinblick auf die Veränderung in der Arbeitswelt, müsste eigentlich das Thema der Stunde sein, wenn nicht die alles beherrschende Pandemie wäre. Vielleicht das große Thema bei den Landtagswahlen 2026. Vielleicht ist es auch zu kompliziert.
Kein Ringen mit der direkten Konkurrenz: Mit der Schnittmenge an Wähler*innen der kleinen Parteien links der Mitte wäre DIE LINKE der Fünf-Prozent-Hürde deutlich näher gekommen. Diese Parteien wurden aber weder eingebunden (was allerdings vom Wahlrecht erschwert wird) noch attackiert. Im Wettbewerb mit der LINKEN standen:
> VOLT, in einigen Städten bei den parallel stattfindenden Kommunalwahlen in Hessen erfolgreich, pro-europäisch, sonst eher bieder-sozialdemokratisch
> Die PARTEI, penetranter Schenkelklopfer, der Liebling der nicht rechts verorteten Parlamentarismus-Kritiker*innen, aber ansonsten inhaltlich der LINKEN laut Wahl-O-Mat am nächsten
> Die Klimaliste, Öko-Fundis mit zumindest teilweise dem gleichen Selbstverständnis, dass zur Klimarettung die Logik des Kapitalismus in Frage gestellt werden muss
„Wir können nur Großstadt“: Die mangelnde Verankerung im ländlichen Raum ist ein großes Problem, das der Landesvorstand seit Jahren thematisiert. Allerdings kann er dort auch keine spürbare Unterstützung gewährleisten. Das wäre auch nicht tragisch, da erstens die Linke in Deutschland und in den meisten anderen Ländern noch nie auf dem platten Land stark war und zweitens dort auch nicht so viele Menschen leben. Mit ländlichem Raum dürften hier jedoch eher kleineren Gemeinden und Kleinstädte auch in den Ballungsräumen gemeint sein. DIE LINKE ist mit wenigen Ausnahmen eine Partei der Großstädte sowie kleinerer Unistädte. Außerhalb dieser Zentren ließe sich nur über direkte Bezugslinien wie Gewerkschaften ein Potenzial aufbauen, das dann auch mehr Anziehungskraft wie die örtliche Dritte-Welt-Gruppe ausüben könnte. Aber diese Rolle füllt meistens schon die SPD mit stark abnehmender Tendenz aus.
Ich habe kein Patentrezept, wie die fünf Prozent zu schaffen wären. Doch Versäumnisse zu erkennen ist der erste Schritt zum Erfolg. Schon muss DIE LINKE auf die Bundestagswahlen zuarbeiten. Da ist das Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde nicht mehr als ein absolutes Minimalziel – dank wesentlich stärkerer Landesverbände mit besseren Wahlergebnissen als im schönen, aber stockkonservativen Baden-Württemberg.